Sonntag, 29. April 2018

Kindheit ohne Strafen – Vortrag mit Katharina Saalfrank


Fotografie: Anne Siedentopf



Vorletzte Woche hatte ich das erstmal Freigang, denn ich hatte das Glück kurzfristig und um drei Ecken eine Karte für den Vortrag im Dresdner Hygiene Museum mit Katia Saalfrank (veranstaltet von der Krankenkasse DAK) zu bekommen. Ich habe mich riesig gefreut, da ich doch zu spät davon erfahren hatte und er restlos ausgebucht war – yeah!

18.00 Uhr ging es los und ich konnte die folgenden zwei Stunden entspannt zuhören und vom Still- und Windelwahnsinn gut abschalten, weil sich mein Mann und meine Schwiegermutti netterweise um alle Kids bei strahlendem Sonnenschein im Park davor gekümmert haben. Inzwischen weiß ich auch, dass wirklich alles super geklappt hat und die Jungs sich zwischendurch ein Fläschchen geteilt haben und dann wieder eingeschlafen sind.

Ohne irgendwas geplant zu haben traf ich mehrere Freudinnen und war also in netter Gesellschaft und ich durfte sogar bevor es losging Frau Saalfrank am Waschbecken der Toilette noch viel Spaß beim Vortrag wünschen J

Ich finde das Thema ungemein wichtig und gleichzeitig ungemein schwer, wie wir hier auch immer wieder im Alltag merken, wie unsere eigenen Gefühle und Muster aus unserer Erziehung uns steuern. Dann kommen „wenn…dann“ Sätze, Konsequenzen oder andere nicht sehr verbindende Sätze aus unserem Mund. Es ist aber auch herausfordernd mit einem fast vierjährigen Herzmädchen, dass zu Allem seine eigene Meinung hat. Ich war also sehr gespannt, was ich nun nochmal Neues mitnehmen werde!

Katia Saalfrank kam also 18.00 Uhr auf die Bühne des vollen Raumes und gleich (wie auch schon zuvor in der kurzen Sekunde auf Toilette) fällt einem ihre angenehme, lächelnde, sympathische Art und ihre sanfte Stimme auf. Sie beginnt sich und ihre Arbeit, die für sie absolute Berufung und nicht nur Beruf ist, vorzustellen und alle sind sofort von ihrer Kompetenz überzeugt als sie erzählt, dass sie selbst 4 Kinder und auch Fehler gemacht hat. Alle atmen durch: sie kennt den alltäglichen Wahnsinn, die Herausforderungen und bringt nicht nur nette Theorien mit. Sie möchte uns Duzen und fragt ein bisschen mit Handzeichen ab, wer so da ist, um uns kennenzulernen. Und bittet darum, unvoreingenommen und offen (so wie es unsere Kinder auch sind) zuzuhören.

Fotografie: Anne Siedentopf


Dann beginnt sie ihren Vortrag, den sie mit übersichtlichen Folien und süßen Comics unterstützt und erklärt erst mal, dass Kinder Respekt von ihren Bindungspersonen lernen, indem diese dauerhaft wertschätzend sind und die kindlichen Grenzen wahren. Sie plädiert für eine neue „Form der Führung“, die nichts damit zu tun hat keine Grenzen zu haben.

Insgesamt sei es ganz normal, dass dort wo Menschen zusammenleben Konflikte entstehen. Es geht also nicht darum, diese zu vermeiden, sondern konstruktiv zu lösen und auf die Ursachen zu schauen (was war los?) und gemeinsam mit den Kindern Alternativen für diesen Konflikt zu erarbeiten. Hilfreich ist dabei, das Wort ABER wegzulassen und lieber mit UND zu arbeiten. Denn ein „Ich verstehe dich, aber wir gehen jetzt nach Hause“ trennt, wohingehen ein „ich verstehe dich und wir gehen jetzt nach Hause“ verbindet und Raum lässt.

Bevor Frau Saalfrank tiefer auf das Thema „Kindheit ohne Strafen“ eingeht, stellt sie noch die Begriffe bindungs- und beziehungsorientiert vor. Wichtig ist hierbei vor allem, dass sich ihre Herangehensweise nicht wie bei der klassischen Verhaltenspädagogik am Verhalten, sondern an der emotionalen Ebene orientiert.

Ich finde diesen Punkt enorm wichtig, wenn man in Beziehung leben will und bevor man sich damit beschäftigt, wie man nicht straft. Dieser Unterschied bildet meiner Meinung nach die Basis, die Haltung von bindungs- und beziehungsorientiert. Direktiv auf das Verhalten zu schauen, es zu bewerten und Konsequenzen zu ziehen ist im Prinzip einfach. Hingegen auf die Gefühlswelt, die Motive, die Ursachen hinter dem Verhalten unserer Kinder zu schauen schwer. Denn dafür braucht es Zeit und eben eine Beziehung, ein Sich-Kennen, um Emotionen hinter Verhalten wahrzunehmen und zu verstehen.

Genau darauf möchte Frau Saalfrank auch hinaus, wenn sie sich danach mit uns die Grundemotionen wie Wut, Trauer, Freude etc. anschaut und erklärt, dass es unsere Aufgabe als Eltern ist unsere Kinder darin zu begleiten. Durch diese Co-Regulation lernen Kinder mit ihren Emotionen umzugehen und ihren innerlichen Stress herauszulassen. Dies beginnt schon bei kleinen Babys.

Sie sagt, dass Eltern das intuitiv oft „richtig“ machen wollen, der gesellschaftliche, oft auch schulische, Druck führen jedoch oft zu Verunsicherung und Machtkämpfen. Schlechtes Verhalten und schlechte Zensuren werden von außen und von den Eltern selbst oft so gedeutet, dass die Eltern vermeintlich „schlecht erziehen“, Druck und Handlungszwang entstehen, Strafen werden verhängt, um diesem inneren und äußeren Druck gerecht zu werden. Denn die Botschaft an die Eltern ist, wie sie sagt: „strafe ich nicht, wird mein Kind asozial“.

Fotografie: Anne Siedentopf


Damit kommt Katharina Saalfrank endgültig beim Kernthema Strafen an und nimmt vorweg, dass mit dem schönen Wort „natürliche“ Konsequenz auch oft nichts anderes als eine Strafe gemeint ist. Also prinzipiell ein manipulativer Umgang mit Kindern. Dabei ist die Konsequenz, wenn ein Glas umkippt nicht, dass das Kind das Wasser aufwischen muss, sondern dass das Glas leer ist.

Sie stellt erst mal vor, welche Grundannahmen sie beim Thema "Kindheit ohne Strafen" voraussetzt:

  1. Kinder sind Teamworker (auch wenn jetzt vielleicht einige denken: „meine nicht“)
  2. Kinder wissen viel viel weniger als wir
  3. Kinder haben ein viel kleineres Nervensystem als wir und sind schnell überfordert


Und damit ist sie auch schon mitten in der Erklärung von fehlender Zusammenarbeit seitens der Kinder. Kinder machen meist nicht das was man ihnen sagt, wenn sie zum einen überfordert sind (zum Beispiel durch Müdigkeit oder eben emotionale und kognitive Weise) oder wenn sie vorher gekränkt wurden. An dieser Stelle verweist sie wieder auf den Anfang. Denn wenn ich als Elternteil möchte, dass das Kind meine Grenzen wahrt, muss ich auch seine achten. Strafe ist aber ein Machtmissbrauch, demütigend, verhindert Beziehung und erzeugt Ängste. Da dürfen sich Eltern, laut der Pädagogin, auch nicht wundern, wenn Kinder beginnen zu lügen und kein Vertrauen mehr haben, sich mit eigenen Themen und Fragen an sie zu wenden.

Fotografie: Anne Siedentopf


Wichtig ist ihr auch zu erklären, dass diese Zusammenhänge nicht nur ihr wichtig sind und in ihrer Arbeit deutlich geworden, sondern dass es ebenfalls wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gibt. Man hat unter anderem herausgefunden, dass Strafen und emotionaler Ausschluss („Geh auf dein Zimmer“) im Gehirn genauso wirken wie körperlicher Schmerz und dafür sorgen, dass Teile des emotionalen Systems verloren gehen. Um sich zu schätzen kappt das Gehirn bestimmte Empfindungen, wenn es zu schmerzhaft wird und so kann auch Empathie nicht mehr gut entwickelt werden. Das betrifft sowohl Empathie für andere als auch Selbstemphathie. Übrigens ist das ein entscheidender Punkt warum wir teilweise nicht mit unseren Kindern mitfühlen und Strenge walten lassen, weil wir es selbst nicht erfahren haben und unsere Selbstempathie lieber gekappt haben. Es ist also an der Zeit wieder mitfühlender mit uns und anderen zu werden.

Nach diesen vielen Informationen und theoretischen Erkenntnissen stellt Frau Saalfrank zum Schluss noch ein Beispiel der kleinen vierjährigen Lea vor und bietet uns damit eine Alternative zum herkömmlichen Muster von Erziehung.

Fotografie: Anne Siedentopf


Lea und ihre Mutter haben jeden Abend Streit ums Aufräumen und nach Monologen, Belohnung, Bestrafung sowie Eskalation sind sowohl Lea als auch ihre Mutter sehr unzufrieden. An diesem Punkt hat Frau Saalfrank Leas Mutter ein „Kakao-Küchen-Gespräch“ vorgeschlagen.

Sie schlägt also vor sich in einer ruhigen Minute, fern vom Streitgeschehen, zusammen zu setzen und das Thema zu besprechen. Dabei ist die erste Herausforderung für uns Eltern das Verständnis, sich zuzuhören und herauszufinden, was auch das Kind zu dieser Situation denkt und auch selbst zu erzählen und auf Fragen des Kindes ehrlich zu antworten. Dabei muss dieses Gespräch nicht sofort zur abgeschlossenen Lösung führen, es ist ein Prozess.

Nachdem Lea und ihre Mutter herausgefunden haben was beiden wichtig ist (Lea: Erbautes auch stehen lassen zu können, Mutter: sich nicht beim Gehen im Kinderzimmer zu verletzen), konnten sie einen Kompromiss finden  (Lea räumt einen „Weg“ frei und wenn nicht winkt die Mutter von der Tür zum Gute-Nacht-Sagen).

Übrigens ein guter Trick zur Überprüfung: Lea wollte wissen, warum sie aufräumen muss und Papa nicht? Genau! Fragen wir uns doch einfach öfter, ob wir so auch mit unserem Partner reden würden ;)

Nach dem Vortrag können einige aus dem Publikum noch Fragen stellen und dann kann man ihre Bücher erwerben und eine Widmung von Frau Saalfrank bekommen. Ich ergreife die Chance, ganz am Rand sitzend, kaufe mir das Buch zum Vortrag und husche schnell raus in die Sonne zu meiner Familie.

Bis jetzt konnte ich ein wenig quer lesen und es liest sich so angenehm, wie Frau Saalfrank erzählt. Somit kann ich sowohl den Vortrag als auch das Buch empfehlen. Letzteres finde ich eine schöne Ergänzung, da aufgrund der Zeit die praktische Umsetzung des „ohne Strafen“ ein wenig zu kurz kam, im Buch aber verschiedene Beispiele aufgeführt werden. Wer in einer anderen Stadt dieser Vortragsreihe also die Gelegenheit hat, sollte hingehen J


Eure Anne


Freitag, 13. April 2018

8 Wochen mit Zwillingen

Fotografie: Anne Siedentopf


Letztens habe ich meine zwei süßen Jungs, die jetzt übrigens schon ganz herzig lachen können, mit ihrer Meilensteinkarte „8 Wochen“ fotografiert. Wow, 8 Wochen sind bereits um! Zeit für einen Rückblick dachte ich mir.

Die ersten Tage


Viel hat sich in dieser Zeit verändert. Die Tage nach dem Kaiserschnitt im Krankenhaus gingen gleichermaßen schnell und langsam herum. Langsam, weil die Schmerzen und die fehlende Beweglichkeit lästig waren und ich so abhängig mit der Pflege meiner Jungs war. Schnell, weil die beiden noch so klein waren und die erste Zeit des Kennenlernens und des Kuschelns eben rasant weg war. Ich erinnere mich wie ich gern öfter gekuschelt hätte, aber nicht aufstehen und sie hochheben konnte, sondern von anderen abhängig war. Außerdem musste ich zu der Zeit noch abpumpen, um die Milchproduktion anzuregen und zufüttern. Die Odyssee von windeln, stillen, zufüttern, abpumpen hat besonders nachts ewig gedauert und zu gaaanz wenig Schlaf geführt – maximal 30 Minuten am Stück und mein Erster, der bis heute bedürftiger und unruhiger ist, hat auch da schon mehr geweint. Insgesamt haben die zwei aber noch recht viel geschlafen und auch so süß nebeneinander gekuschelt (jetzt machen sie sich mit ihren zappeligen Ärmchen eher gegenseitig wach).

Auch zu Hause haben sie am Anfang viel geschlafen: aneinander, an mir, beim Stillen. Letzteres war übrigens der größte Unterschied zum Krankenhaus: ich stille voll. Nach drei Nächten im Krankenhaus war mir klar: das es die Abfolge von stillen, zufüttern und abpumpen nicht dauerhaft schaffbar ist und ich muss unbedingt voll stillen muss. Also habe ich die letzten 1,5 Tage im Krankenhaus mit allem einfach aufgehört und nur noch gestillt und es wirklich geschafft voll zu stillen und auch schon Tandem. Zuhause habe ich das so fortgeführt und mein Hebamme war ganz begeistert und ich auch, so konnte ich nachts nämlich auch mal 1,5 Stunden am Stück schlafen – Yeah!

Frühes Wochenbett


Ich genoss die Ruhe zu Hause und den fehlenden Trubel des Krankenhauses mit ständigen Schichtwechseln, Untersuchungen und Störungen. Die ersten drei Wochen zu Hause waren unerwartet ruhig. Dank Hebamme, Haushaltshilfe und ganz viel familiärer Unterstützung für uns als Familie im Haushalt, beim Essen kochen und mit dem Herzmädchen konnte ich ohne schlechtes Gewissen Wochenbett halten.

Nach dem wochenlangen Liegen in der Schwangerschaft und dem Kaiserschnitt konnte ich so etwas Schlaf nachholen, stillen und ganz in Ruhe fit werden. In den ersten zwei Wochen habe ich wirklich kaum das Bett verlassen. Danach begann ich Stück für Stück die Wohnung zurückzuerobern und wieder mehr am Familienleben teilzunehmen. Insgesamt hatte ich aber das Gefühl, dass den Babys die ruhige Gangart und das viele kuscheln und stillen in ihrem „Nest“ total gut tat. Meiner Meinung nach sind wir so - bis auf wenige Ausnahmen wegen wirklich schlimmer Verdauungsbeschwerden -den abendlichen Schreistunden „entkommen“. Auch Besuch haben wir nur wenig bekommen und wirklich auf Ruhe im Wochenbett und ein entspanntes Ankommen für die Zwei geachtet.

Spätes Wochenbett


Aufgrund der extremen Kältewelle Ende Februar war ich dann mit den Jungs wirklich erst nach vier Wochen zum ersten Mal draußen spazieren und dann hatten die zwei leider auch gleich einen Schnupfen - und ich auch. Dennoch habe ich in den letzten vier Wochen mein Pensum immer mehr gesteigert und spaziere nun schon bis zu 1,5 h durch die Gegend und übernehme mehr Aufgaben, ich war sogar schon ganz allein mit meinen drei Kindern einkaufen. Das war nach so vielen Wochen zu Hause und der anfänglichen geringen Belastungsfähigkeit echt ein Grund auf mich stolz zu sein J

Zwillinge stillen


Bis heute nimmt das Stillen neben dem Schlafen den Großteil des Tages ein. Die zwei sind echte Raupen Nimmersatt und verlässliche Stillpausen bekomme ich eigentlich nur durchs Spazierengehen. Über die Wochen hat sich dennoch etwas Rhythmus entwickelt und sie halten nun auch länger ohne essen durch. Meist konnte ich am Nachmittag etwas schaffen, nachdem sie den ganzen Tag an mir hingen. Und abends und nachts wird natürlich auch ganz viel gestillt.

Ich habe ja oben geschrieben, dass ich schon im Krankenhaus angefangen habe voll und Tandem zu stillen. Das ging die ersten 5 Wochen wunderbar. Die beiden tranken und ich konnte lesen oder über den Laptop etwas schauen. Dann begann es unruhig zu werden. Mit dem ersten Schnupfen begann meine Nummer Zwei zu spucken und das recht viel und besonders nach dem Trinken oder wenn Luft in den Bauch gelangt war. 

Kurze Zeit später beganne auch den anderen die Luft beim Trinken zu quälen und beide wurde unruhige Trinker, die immer wieder Luft aufstoßen mussten. Dadurch wurde stillen zu dritt zur Akrobatiknummer. Der eine trank noch, der andere musste kurz aufstoßen. Das war schon Verrenkung genug, aber wenn der andere dann dadurch die Brust verlor, versuchte ich wieder anzudocken oder zu wechseln um ihn zu trösten. Es ist ein Desaster und brachte mir einige Arm- und Rückenschmerzen.

Also änderte ich den Kurs und begann (entgegen dem Trend Zwillinge zu synchronisieren) die zwei asynchron zu stillen, zu kuscheln und schlafen zu legen. Natürlich entstehen so weniger Pausen für mich, aber es ist ruhiger, ich habe auch Zeit für jeden einzeln und ich konnte wieder entspannt stillen und auch mal was für mich nebenbei lesen oder schauen und so war ich wesentlich weniger gestresst. Arbeit ist eh für den ganzen Tag vorhanden, da bringen die paar gleichzeitigen Schläfchen jetzt auch nicht den Gewinn. Für mich ist es entspannter und auch nachts kann ich so liegen bleiben und auf der Seite stillen.

Zwillinge zu stillen ist nochmal eine neue Herausforderung, aber wirklich schaffbar. Ich war von vornherein von nichts anderem überzeugt, hatte auch keine großartigen Anschaffungen Richtung Flasche, Milchpulver und Vaporisator gemacht (nur was für den Notfall). Meine innere Haltung, dass die Natur das schon richtig vorgesehen hat, lässt mich bis heute überzeugt sein, dass alles klappt und jedes Stillproblem (wie Brust anschreien) meistern.

Schlaf


Die Abende sind die herausfordernste Zeit des Tages. Ich und auch der Papa sind geschafft vom Tag und dann heißt es begonnen beim Abendbrot: alle (quengeligen) Kinder zu betreuen und zum Schlafen zu bewegen. Es wird zwar immer sortierter, aber während unsere Große erstmal noch wach bleibt (zum Spielen, Video schauen, Zähneputzen) sind die Jungs hungrig, weinerlich und müde.

Dennoch finden sie unterschiedlich schnell in den Schlaf. Mal schläft der eine schon seit halb acht und der andere ist bis halb zehn "wach". Entweder holt sich meine Nummer Zwei Mama-Zeit oder Nummer Eins ist unruhig und weint untröstlich. Oder die zwei wechseln sich den ganzen Abend mit stillen und einschlafen ab. So oder so, wenn die beiden endlich durchschnittlich zwischen neun und halb zehn zur Ruhe finden, gibt es dann noch keine Pause. Denn das Herzmädchen möchte auch noch etwas Mama-Exklusivzeit in Form von Vorlesen und Einschlafbegleitung. Wenn dann wirklich alle Kinder schlafen, bin ich meist selbst so erschöpft, dass ich direkt mit einschlafe, auch wenn ich gern noch etwas Zeit für mich oder mit meinem Mann hätte.  
Zum Glück: Je mehr Wochen vergingen, desto länger wurden die Schlaf- und Stillftreien Phasen tags und nachts, so dass ich nachts selten, aber manchmal mit 3 Stunden Schlaf am Stück belohnt werde. Insgesamt ohne Pausen schlafe ich in schlechten Nächten 4-5 Stunden und in guten 6-7 Stunden.

Zwillinge – alles gleich?


Besonders erstaunt bin ich von der Unterschiedlichkeit der Jungs und all meiner Babys insgesamt (also auch im Vergleich zum Herzmädchen). Während unser Herzmädchen absolut nicht abzulegen war (sie schlief immer auf mir drauf, dran oder im Tragetuch, schöne Orte wie Kinderwagen, Sofa oder Bettchen wurden abgelehnt.), schlafen unsere Jungs einwandfrei in ihrem trendigen Zwillingswagen und mit der richtigen Schlafbegleitung auch alleine. Zu Beginn war das ganz easy, da schliefen sie beim Stillen oder danach zack ein. Nun braucht meine Nummer Eins mich (oder jemand anderen liebevolles), stillen oder Bewegung, um dann sanft abgelegt zu werden. Er hat die Tendenz wie das Herzmädchen sehr zum Tragling zu tendieren, aber liebevoll, sanft, zum richtigen Zeitpunkt, manchmal in Bauchlage und neuerdings mit weißem Rauschen im Hintergrund schläft er auch allein. Ansonsten kann ich ihn aber auch tragen und der andere, der von Natur aus der Gelassenere ist, schläft mit seinem Schnuller gemütlich in Federwiege, Bett, Sofa etc. ein.


Das finde ich sowieso am erstaunlichsten, dass sie charakterlich so unterschiedlich sind, obwohl ja beide die gleiche Schwangerschaft, die gleichen Eltern, die gleiche Behandlung erfahren haben. Meine Nummer Eins ist der hyperaufmerksame, gefühlt hyperintelligente Denker. Wenn er die Augen auf hat, dann sind sie weit aufgerissen und er will lernen und nimmt gefühlt alles ungefiltert auf. Dementsprechend ist er schneller müde, hält kürzer durch und weint mehr. Er braucht viel mehr Regulation durch uns und Körpernähe.

Nummer Zwei genießt auch Nähe sichtlich und lacht, wenn ich ihn nehme oder stillen will und er scheint ebenfalls sehr klug und beobachtet gern. Braucht aber nicht so viel persönliche Ansprache und Erklärung dafür, er schaut und nimmt wahr, aber irgendwie besonnener und in eigenem Tempo. So bleibt er länger munter, ruhiger und kann bei Bedarf auch einfach entscheiden einzuschlafen, wenn es ihm zu viel wird und eben auch ohne Regulation von außen. Das finde ich total erstaunlich und auch wenn ich häufig ein schlechtes Gewissen habe, weil er oft warten muss und für sich ist, weil der andere viel mehr weint und bedürftig ist, bin ich sehr dankbar, dass ein Zwilling in der Hinsicht recht pflegeleicht ist und mir gewissermaßen mit seiner Geduld und Ruhe hilft.

Dafür müssen wir wegen ihm regelmäßig unsere Kleidung, einen großen Berg Spucktücher und seine eigene Kleidung waschen. Denn fast egal, wann man ihn hochnimmt er bringt fast immer Milch wieder mit hoch – und das auch oft im Schwall, so dass ich es hinter mir Platschen höre. Interessant ist auch, dass er einen Schnuller nimmt und Nummer Eins schreit als würde man ihm den Hals umdrehen, wenn man ihm einen Schnuller nur anbietet.

Vom ersten Tag an hat er sich Nummer Eins mehr aufgeregt und geweint. Besonders bei Vorkommnissen mit seinem eigenen Körper ist er sehr sensibel. Windeln, Luft im Bauch, Hunger, Müdigkeit werden immer sehr stark beweint. Wirklich laut, so dass mir teilweise schon mein Ohr weh tat. Der andere schimpfte auch teilweise bei diesen Dingen, aber viel zarter und ließ sich auch trösten. Das dauert bei Nummer meist sehr lang und führt oft zum nächsten (wie Müdigkeit aufgrund der Erschöpfung).

Optisch sind beide immer noch unterschiedlich, auch wenn es irgendwie ein Phänomen ist, dass sie sich dann noch so ähnlich sind und einzeln zum Verwechseln verführen. Mir passiert das eher weniger, aber im Halbschlaf wundere ich mich auch manchmal, warum mich Nummer Eins plötzlich bespuckt, wenn ich ihn wie gewohnt auf meinem Bauch schlafen lassen will...
Nummer Eins hat gewichtsmäßig gut aufgeholt und sieht nun pummeliger aus als Nummer Zwei und beide sind inzwischen gleich lang. Aber die unterschiedlichen Haare (hell und dunkel) sind geblieben. Interessant ist, dass Nummer Zwei aussieht wie das Herzmädchen als Baby und mir manchmal ihr Name ihm gegenüber rausrutscht. Ich bin so gespannt wie die beiden Süßen in einem Jahr aussehen!

Entwicklung


Ich freue mich, dass ihre Wachphasen besonders in der letzten Woche immer länger werden. Es ist so niedlich wie sie wissbegierig schauen und lauschen, wenn Mama, Papa oder Schwester erzählen. Besonders diese ersten Momente der Geschwisterliebe sind herzerwärmend, wenn die große Schwester streichelt, knuddelt, erzählt und Küsschen gibt. Auch schauen die beiden nun schon ganz bewusst mir oder der Rassel hinterher, lachen süß (besonders wenn ich Faxen mache oder wenn das Stillen losgeht) und machen erste zarte Laute, um mit uns zu sprechen.


Das sind dann die Momente in denen mir warm ums Herz wird und die viele Arbeit, Rücken- und Armschmerzen, durchwachte Nächte, das viele Schreien von unserem Ersten, keine ruhige Minute und all die vollgespuckten Oberteile vergessen sind. Dann zählt nur der Moment, das Lachen, das Prabbeln, das Kuscheln…


Eure Anne