Donnerstag, 2. März 2017

Sei Pippi . Nicht Annika . – Wie ich als Mutter zu Pippi wurde

Fotografie: unsplash/ pexels


Als wir letzte Woche für einen kleinen Familienurlaub in Wittenberg waren, ist mir in einem süßen kleinen Laden, auf einem Schild neben der Kasse, der Spruch „Sei Pippi. Nicht Annika.“ über den Weg gelaufen. Seitdem denke ich über diesen Spruch nach und was er mit mir zu tun hat. Meine Gedanken dazu habe ich mal für euch aufgeschrieben.

Mir ist bewusst geworden, dass ich innerlich schon als Kind Pippi war, aber äußerlich immer Annika. Innerlich habe ich anders gedacht als meine Familie, habe Umweltsünden, Krieg und die Erwachsenenwelt ständig hinterfragt. Als Resultats dass meine Meinung als Kind nichts wert war und dass ich schwer Freunde fand, hatte ich schnell gelernt freundlich, zuvorkommend und unkompliziert zu sein, und habe mich optisch und meinungsmäßig meinem Umfeld angepasst. Besonders in der Schulzeit habe ich mich für andere passend gemacht und versucht Freunden zu gefallen.

Im Studium war es dann etwas freier und ich machte erste große Schritte in der Abnabelung von Elternhaus und gesellschaftlichen Erwartungen. Dann kamen Arbeitswelt, Teams und Hierarchien, in denen ich gearbeitet habe. Dann kam die Arbeitswelt mit Teams und Hierarchien - der Kreislauf der Anpassung begann erneut, nur nicht anecken oder negativ auffallen. Ich war definitiv nicht ich selbst.

Meine inneren beruflichen Überzeugungen, Ansprüche und neuen Ideen, welche ich gern, über den Tellerrand des mir übertragenen Arbeitsbereiches, umsetzen wollte, wurden á la das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht abgelehnt. Wieder wollte ich dazugehören, meine Rolle in der Gruppe finden und fing an einzelnen Kollegen nachzueifern. Mich wie sie zu kleiden, zu reden, so aufzutreten… Innerlich war mir bewusst, dass ich nicht mehr ich selbst war, aber irgendwie kam ich da auch nicht mehr heraus. Ich war davon überzeugt, dass ich mich ändern, mich rundschleifen musste. Ich wurde immer unauthentischer…

Dann wurde ich Mutter. Meine Schwangerschaft bescherte mir eine ziemlich heftige und lange Übelkeitsphase bis in den 5. Monat hinein und schlussendlich auch ein Beschäftigungsverbot, an welches sich meine Elternzeit nahtlos anschloss.

Ich bemerkte wie mein Körper aufatmete, die Anspannung des Angepasstseins und der ständige Druck verschwanden. Ich war wieder rundum glücklich mit meinem Leben und nahm wahr, wie ich mit der Zeit Stück für Stück wieder ich selber wurde und die erlernten unechten Verhaltensweisen ablegen konnte. Das empfand ich als ein Riesenglück und auch als  Riesenchance. Ich konnte mich selbst nochmal kennenlernen, mich definieren, sowohl privat als auch beruflich.

Bevor das Herzmädchen geboren wurde, wusste ich, dass ich mir wünschte nach der Elternzeit zu wissen, wohin ich beruflich ganz konkret gehen möchte und in welchem Feld der Sozialpädagogik ich in den nächsten zehn Jahren zu einer Expertin heranwachsen möchte. Dafür gab ich mir ganz konkret das erste Elternjahr frei: ich wollte nicht aktiv suchen, ich wollte mich finden lassen, Gott Raum geben für seine Pläne und auch schauen zu welcher Frau ich als Mutter werden würde.

So kam das Herzmädchen auf die Welt und ich hatte erst einmal alle Zeit der Welt mich auf das Abenteuer Kind – ganz frei von eigenen Erwartungen - einzulassen. Ich genoss es sehr, auch wenn das erste Jahr natürlich auch sehr viele Herausforderungen mit sich brachte. Ich las viel zu Babys, kindlicher Entwicklung, kindgerechter Ernährung, „Erziehungstipps“ und vielen vielen Themen rund um Familie und Pädagogik.

Meine Motivation, mein Wissensdurst (den ich durch viele Abweisungen von beruflichen Ideen verloren hatte) waren wieder geweckt und erstrahlten förmlich. Ich stillte und las, ich lag bei meinem Mädchen beim Mittagsschlaf und las. Im Nachhinein ist mir nun klar, dass ich auf diese Weise eine der genialsten Fortbildungen gemacht hatte: ich war bedürfnisorientiert immer für mein Mädchen da und lernte zeitgleich enorm viel. Mein Herz schlug immer mehr (wieder) für Familienthemen und ganz neu für gewaltfreie, bedürfnisorientierte Erziehung. Ich wusste, hier bin ich richtig. Ich brannte dafür, das war mein Herzensthema und auch irgendwie schon immer gewesen. Aus meiner eigenen Geschichte heraus sind mir das Wohl, das Glück und auch die (physische und psychische) Unversehrtheit von Kindern schon immer extrem wichtig. Nun hatte ich dafür einen Weg, eine Haltung, Vertreter und Worte für mein Gefühl gefunden - das war toll!

Mutter zu werden bereicherte mein Leben also nicht nur durch dieses kleine wundervolle Wesen, sondern gab zeitgleich meiner Berufung die richtige Richtung. Und, was für diesen Prozess vielleicht noch wichtiger war, es machte mich zu einer stärkeren Persönlichkeit nach außen hin. Bereits zum Ende des Wochenbetts war mir bewusst, dass es meine erste große Entwicklungsaufgabe als Mutter sein würde, vor Anderen für meine Überzeugungen und Bedürfnisse und die meines Kindes einstehen zu müssen.

Das machte mich sehr stark, und auch wenn ich bis heute noch täglich an diesem Ziel arbeite, ich bin viel besser und klarer darin geworden, zu sagen, was mir wichtig ist und warum und damit auch zu zeigen wer ich bin.

Wie Pippi mache auch ich mir nun meine Welt widewide wie sie mir gefällt :)

Geht nicht, kann ich nicht, schaff ich nicht, gibt es nicht mehr. Wenn ich etwas wirklich möchte, finde ich einen Weg (wie auch jetzt, mit kitafrei und zeitgleich meinem Projekt Selbstständigkeit). Wenn etwas nicht geht, ich etwas nicht kann oder schaffe, dann liegt es daran, dass andere Prioritäten (wie z.B. Familie) davor stehen, die ich selbst gewählt habe und zeitlich eben nicht alles umgesetzt werden kann, der Tag hat nur 24 Stunden. Inneres und Äußeres passen bei mir nun zusammen und das zeigt sich auch daran, dass ich nur noch Sachen trage, in denen ich mich wohl fühle und nicht um damit eine Rolle auszufüllen.

Wie Pippi zu sein, heißt für mich, als Mutter und als Frau glücklich zu sein und keine halbherzigen Kompromisse mehr einzugehen. Ich stehe hinter meinen Entscheidungen, kann sie erklären und bin innerlich zufrieden. Ich liebe es Mutter zu sein und ich liebe meinen Job, den ich nun, anders als früher, mit Energie und Motivation jeden Tag lebe.

Die Begegnung mit bedürfnisorientiertem, beziehungsorientiertem und gar unerzogenem Umgang mit Kindern, hat meiner Haltung eine Bezeichnung gegeben und mich extrem wachsen lassen. Ich bin inzwischen bedürfnisorientierter, beziehungsorientierter, unerzogener mit meinem Kind, mit mir selbst (!) und vor allem auch mit anderen Menschen. Ständig halte ich andere dazu an, darauf zu schauen, was sie wirklich wollen und diese Bedürfnisse auch zu äußern und nicht aus vermeintlichen äußeren Beweggründen heraus zu handeln.

Ich denke, Pippi wusste ganz genau: was sie möchte, was ihr gut tut, wer sie ist und so geht es mir inzwischen auch. Ich liebe es innerlich und äußerlich klar, leicht und fröhlich sein zu können. 


Geht es euch auch so? Wann seid ihr Pippi, wann Annika? Inwiefern hat Mutterschaft eure Persönlichkeit verändert?


Eure Anne

PS: Wenn euch mein Artikel gefallen hat, freue ich mich über Liken und Teilen :)

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