Dienstag, 16. Januar 2018

Interview zum Thema Selbstbetreuung - Jenniffer von Berufung Mami stellt mir Fragen


Fotografie: Josh Willink/ pexels




Ihr habt Jennifffer von Berufung Mami bereits in meinen Herzensbande-ADVENTskalender im Interview kennengelernen dürfen und nun hat sie ein Interview mit mir in ihrem EBook "Selbstbetreuung und Geld verdienen?" veröffentlicht. 

Über einen Email-Kontakt haben Jenniffer und ich im Frühjahr letzten Jahres Kontakt geschlossen und so hatte sie mich gefragt, ob ich für ihr EBook für ein Interview bereit wäre. Da habe ich gern spontan zugesagt und Anfang letzten Sommers über unsere Zeit als Selbstbetreuer Rede und Antwort gestanden. Da Jenniffer auch gerade kurz vor der Entbindung steht und ebenfalls eine sehr anstrengende Schwangerschaft hatte, ist ihr Buch nun gerade erst frisch "in den Druck" gegangen. 

Ich freue mich, dass ich euch mein Interview hier auf dem Blog zum Lesen zeigen und euch damit auch einen ersten Einblick in das EBook "Selbstbetreuung und Geld verdienen?" geben darf:


Anne: „Organisieren, geduldig sein und priorisieren“


Anne ist Sozialpädagogin und Mama einer Tochter. Sie hat einen Weg gefunden, beruflich tätig zu sein und die Betreuung ihrer Tochter trotzdem fast ausschließlich selbst zu übernehmen. Sie berichtet im Interview u.a. darüber, wie der Versuch der Fremdbetreuung scheiterte und welche Wege die Familie anschließend gegangen ist, zum Wohle ihres Herzmädchens. Zum Zeitpunkt des Interviews ist sie das zweite Mal schwanger, und zwar mit Zwillingen. 

Magst Du uns etwas über Dich und Deine Familie erzählen? 


Ich bin gebürtige Dresdnerin, liebe meine Stadt sehr und habe bis auf 3 Monate in Zürich immer hier gelebt. Ich bin 30, ein Sommerkind, glaube an Gott, liebe es zu quatschen bis die Sonne am nächsten Tag aufgeht, bin gern kreativ und interessiere mich für Umwelt- und Naturschutz und esse fast ausschließlich vegan. Ich wollte schon immer, und habe dann auch aus meiner Liebe zu Kindern heraus Sozialpädagogik studiert. Während und nach dem Studium habe ich sowohl im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes, in einem Familienzentrum, Kitas und in der Erwachsenenbildung gearbeitet. 

Mit meinem Mann bin ich schon seit fast 13 Jahren zusammen, inzwischen verheiratet und Eltern einer wunderbaren Tochter, die wir jeden Tag gefühlt etwas mehr lieben und die auf dem Blog Herzmädchen heißt. 

In der Elternzeit habe ich beim Stillen und Familienbetten ganz viel über Attachment Parenting, bedürfnis- und beziehungsorientiert, unerzogen und einen gleichwertigen Umgang in der Familie gelesen. Und dabei erkannt, dass die Haltung dahinter meiner inneren Haltung endlich einen Namen gibt und auch beruflich genau meinen Herzenswunsch trifft: für Kinder eintreten und Eltern unterstützen, einen gewaltfreien Weg zu finden. Schnell war klar, dass ich mich beruflich neu orientieren möchte und daraus ist damals noch zusammen mit einer Freundin die Idee von Herzensban.de entstanden. 

Du bist also Mama einer Tochter. Wie alt ist sie und wie gestaltet ihr die Betreuung? 


Meine Tochter wird bald 3 Jahre und wir betreuen unsere Tochter selbst. Das heißt konkret, dass einer von uns immer mit ihr zusammen ist, aber nicht unbedingt viel alleine. Wenn wir unsere Tage nicht Zuhause und auf dem Spielplatz oder mit Freunden verbringen, gehe ich mit ihr in der Woche 1-3 Tage in den Rockzipfel in Dresden. Dort habe ich die Möglichkeit zu arbeiten, mich mit anderen Eltern auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und mein Herzmädchen kann mit anderen Kindern spielen. Zusätzlich kommt einen Vormittag Oma zum Spielen vorbei und wir haben eine ganz liebe Babysitterin gefunden, die ebenfalls einmal in der Woche vormittags oder nachmittags vorbeikommt, während ich am Schreibtisch arbeite. 

Aus welchen Gründen habt ihr euch für die (fast alleinige) Selbstbetreuung entschieden? 


Aufgrund von Kenntnissen über die Bindungstheorie aus dem Studium, Vorleben durch Freunde und schlechte Erfahrungen als unsere Tochter in die Krippe ging. 

Für mich war schon lange vor der Elternzeit klar, dass ich mindestens 2 Jahre zu Hause bleiben möchte und wir uns auch darüber hinaus je nach Bedürfnis des Kindes die Betreuung teilen oder zumindest nur eine stundenweise außerfamiliäre Betreuung für unser Kind möchten. 

Als sie zwei wurde und der Plan war, dass ich wieder ins Arbeitsleben zurückkehren soll, haben wir mit der Eingewöhnung in einer aus unserer damaligen Sicht bedürfnisorientierten Krippe begonnen. 

Trotz meines großen entwicklungspsychologischen und bedürfnisorientierten Wissens habe ich es leider nur teilweise geschafft unsere Wünsche bei den Erziehern umzusetzen. Auch wenn wir uns bei vielem länger Zeit lassen durften, kam trotzdem irgendwann der Punkt an dem die Erzieherinnen immer mehr von ihr mit gerade mal 2 Jahren verlangten. Unser Herzmädchen sollte immer mehr funktionieren und wir bekamen fast täglich zurückgemeldet, dass unser Kind „nicht hören“ würde und die einzige in der Gruppe sei, die nicht sofort umsetze, was man ihr sage. 

Trotz viel Verständnis unsererseits für Erwartungen, Betreuungsschlüssel, Gruppengröße, Strukturen und sehr freundlichen Gesprächen, wollten sie unsere Wünsche und Argumente nicht verstehen. Ich habe darüber auch einen eigenen Blogartikel verfasst, weil mir das damals ziemlich nah ging, dass wir damit, trotz sehr sorgfältiger Auswahl und behutsamen Heranführens unserer Tochter an die Krippe, gescheitert sind. 

Ab einem gewissen Punkt musste ich entscheiden, ob ich als Mutter so werde, wie sich das der Kindergarten wünscht und ich nie werden wollte oder ob ich nie wiederkomme und wir unsere Ideale leben können. So haben wir von einem Tag auf den anderen gekündigt und uns wieder selbst organisiert. 

Da ich im Vergleich zu vorher schon mitten im Selbstständig-werden steckte und auch einige Stunden in der Woche in einer Herzreha arbeitete, mussten wir uns neu organisieren. Das hat zwei Monate gedauert, aber dann hatten wir einen guten Rhythmus gefunden und haben unsere Entscheidung bisher nie bereut. 

Besonders ich fühlte mich wieder freier, musste mich nicht täglich den Verurteilungen der Erzieherinnen (wir seien unfähig und viel zu laissez-faire-mäßig unterwegs) aussetzen und 
auch unser Mädchen atmete merklich auf, wollte nie wieder zurück und konnte wieder sie selbst sein. Sie wachte sogar oft morgens auf und sagte traurig, dass sie nicht in den Kindergarten möchte. Wir merkten, dass sie drei Monate brauchte um die negativen Erfahrungen und einige entwickelte Abwehrhaltungen (z.B. Händewaschen) verarbeitet hatte. Diese Beobachtungen waren ein Grund mehr, die Selbstbetreuung als richtigen Schritt zu sehen. 


Was machst Du beruflich und wie ist eure Tochter in dieser Zeit betreut? Wie bekommst Du Arbeit und Familie unter einen Hut? 


Das ist ein spannender Spagat und ganz viel organisatorische Familien-Leistung. 

Ich bin Sozialpädagogin und arbeite freiberuflich als Familienberaterin, Mediatorin und Elternkursleiterin. Und ich blogge mit Leidenschaft für einen gleichwertigen, liebevollen, bedürfnis- und beziehungsorientierten Umgang in der Familie. 

Zudem arbeite ich über einen Honorarvertrag (vorher Minijob) als Sozialpädagogin in einer Herzreha und in Fortbildungseinrichtungen als Dozentin für Familien- und Sozialpädagogikthemen. 

Inhaltliche und organisatorische Arbeit (also Bloggen, Netzwerken, Betreuung der Homepage und Facebook-Seite, Termine und Erledigungen koordinieren) versuche ich tagsüber mit meinem Mädchen oder im Rockzipfel oder wenn jemand zum Spielen vorbei kommt (wie Oma, Opa, Kinderbetreuung) zu schaffen beziehungsweise ist ein ganz großer zeitlicher Part der Mittags- und Nachtschlafstunden. 

Arbeite ich in der Herzreha, als Dozentin, gebe Kurse oder berate, ist Papa-Zeit. So ist sie entweder bei mir oder bei Papa und an andere lässt sie sich auch nicht abgeben und da versorgen wir sie uneingeschränkt in ihrem Sicherheitsbedürfnis. Auch wenn mir manchmal kleine Zweifel kommen, wie „normal“ das ist, vertrauen wir ihr damit seit dem Kindergarten voll und ganz und gehen davon aus, dass ihre Autonomiebestrebungen von sich aus eintreten werden oder wie mein Mann es mal so schön sagte: „Was ist schon normal?!“ 

Mh, wie bekomme ich Arbeit und Familie unter einen Hut? 


Zeit mit meinem Herzmädchen versuche ich mir ganz bewusst zu nehmen, so dass trotz viel Mitkommen zu Geschäftsterminen und Haushalt / Einkauf / Essen kochen auch individuelle Zeit für sie bleibt bzw. habe ich einfach im Gegensatz zu früher ein gedrosseltes Tempo und wir schaffen mit Freude enorm viel zusammen. Sie weiß, dass ich für die Arbeit einiges erledigen muss, das ist für sie in Ordnung, dafür „muss“ sie nicht in die Kita gehen. 

Zeit für mich oder auch für Treffen mit Freundinnen ist wenig, aber das ist ok für mich, denn das ist sie mir wert und mein Leben hoffentlich noch lang. ;-)

Zeit für mich und meinen Mann ist eher abends wenn unsere Tochter schläft, dann basteln wir uns ein Paket aus Arbeit und Entspannung. 

Was würdest Du sagen ist die größte Herausforderung, wenn man arbeitet und sein Kind selbst betreut? 


Nicht selbst unterzugehen. Alle anderen Bedürfnisse (Kind, Arbeit, Partner, Familie, Gesellschaft) wichtiger zu nehmen als seine eigenen. Ich finde, das ist auch eins der größten Missverständnisse von einem bedürfnisorientierten Umgang – es geht nicht nur um die Kinder! Je kleiner sie sind, umso mehr, ganz klar, aber wenn ich als Mutter (bei der in den meisten Familien alle Stricke zusammenlaufen: Kind/er, Mann, Haushalt, Familienorganisation, Job) nicht auf mich achte, dann kann ich bald auf nichts und niemanden mehr achten. Insofern versuche ich mir täglich Zeit für mich zu nehmen, mal mehr, mal weniger, aber in der Regel mindestens eine halbe Stunde – wie auch immer das aussieht, für jeden anders und auch bei mir jeden Tag etwas anders. So habe ich Kraft, Motivation und Freude für dieses Riesenpensum. 

Meine größte Herausforderung ist Sport, dazu habe ich eigentlich keine Zeit, möchte aber unbedingt wieder mit dem Laufen anfangen. 

Gibt es Momente, in denen Du es Dir anders wünschst? Also mehr Zeit für Dich zu haben, oder für Deinen Job? Was bestärkt Dich in diesen Momenten darin, den Weg so weiterzugehen, wie ihr ihn geht? 


Ja, die gibt es definitiv. Ganz oft denke ich, dass ich gern mehr ruhige Zeit zum Arbeiten, Planen und Durchführen hätte. Dennoch sehe ich nie unser Herzmädchen als „Ursache“, sondern dass ich mein Leben so gewollt habe und einfach nur besser werden muss im Organisieren, Geduldig-sein und Priorisieren – obwohl das wirklich schon meine Stärken sind. Die drei Eigenschaften helfen mir ungemein. Auch über den Stress nicht den Blick für die Bedürfnisse meiner Tochter, mich, meinen Mann, Familie, Freunden …. zu verlieren. Denn die sind mir/ uns als Familie am wichtigsten und dafür verschiebe ich letztlich gern Termine oder komme weniger schnell voran, auch wenn es eben Momente gibt, in denen ich da ungeduldig und undankbar bin. 

Mich bestärkt also, dass wir die freie Wahl zu unserem Leben hatten und diese Selbstbestimmtheit liebe ich jeden Tag: die freie Einteilung von Arbeit und Familie (mein Mann arbeitet auch von zu Hause aus), das ist für mich gelebte Vereinbarkeit. Und mich bestärkt das Gefühl der Dankbarkeit, dass wir das Glück haben, es managen zu können, so viel Zeit miteinander zu haben, auch wenn wir dafür 7 Tage die Woche im „on“ sind und arbeiten, aber eben auch 7 Tage die Woche Schönes haben und nicht nur auf einzelne Tage hinarbeiten. Ich bin meinem Mann dankbar, dass wir das so können, denn er ist der Hauptverdiener. 

Und ja, die wenige Zeit für mich und die hohe Präsenz/Arbeitsbelastung dadurch, dass ich zu 70% Kind und Haushalt plus meine Arbeit habe, da gibt es auch Momente der Überforderung und der kurze Wunsch, einfach wie Max Müller mit Kita und Angestelltenjob zu leben, aber die Momente sind eben wirklich kurz. Dennoch schließen wir es nicht aus, bis zur Schule irgendwann für ein paar Stunden täglich auch - wenn wir eine wirklich gute Kita finden sollten - Betreuung in Anspruch zu nehmen, das werden wir dann zu dritt entscheiden. Und diese Möglichkeit das Leben immer wieder neu anzupassen, das hilft mir auch - wir leben als Familie keine Dogmen. Und so ist Selbstbetreuung für uns gerade folgerichtig und von Herzen, aber es soll keine auferlegte Fessel werden, wenn sich das Leben ändert, dann werden wir weiterschauen. 

Von all den Dingen, die Du tust, um Geld in die gemeinsame Kasse zu bringen, was davon kannst Du Müttern empfehlen? Welche der Ausbildungen kosten nicht zu viel Zeit und Geld, womit man sich jedoch schnell ein eigenes Standbein aufbauen kann. 


Mh, das finde ich schwierig, denn alle meine Tätigkeiten beruhen darauf, dass ich Sozialpädagogik studiert habe. Das Bloggen natürlich nicht, aber das ist mehr Leidenschaft und Information für Eltern, als Einnahmequelle. 

Was würdest Du Müttern, die das hier jetzt lesen, empfehlen? 


Was ist aus Deiner Sicht erfolgsversprechend, um sich ein eigenes Standbein aufbauen zu können, was aber nicht zu viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt. Ich denke, ein Minijob kann eine gute Idee sein, wenn man es mit Papa oder anderer Betreuung abdecken kann, verlässlich die kleine Stelle auszufüllen und für Mamas aus dem pädagogischen Bereich ist es natürlich immer möglich freiberuflich beratend oder mit Kursen zu elternrelevanten Themen dazuzuverdienen. Ich habe dazu eine Zusatzausbildung zur Familienberaterin über ein Jahr gemacht und ließ mich zur Mediatorin weiterbilden. Ich finde, dass das nicht nur aus dem finanziellen Aspekt heraus sein sollte, ich liebe einfach meine Arbeit sehr, daher ist sie auch Ausgleich und Leidenschaft für mich.


Danke Jenniffer für deine Fragen!


1 Kommentar:

  1. Ich danke Dir, meine Liebe, dass Du bereit warst, mein Projekt mit Deinen Erfahrungen zu bereichern. <3 Toi toi toi für die Geburt. ;-)

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