Vorletzte Woche hatte ich das erstmal Freigang, denn ich hatte
das Glück kurzfristig und um drei Ecken eine Karte für den Vortrag im Dresdner
Hygiene Museum mit Katia Saalfrank (veranstaltet von der Krankenkasse DAK) zu bekommen. Ich habe mich riesig gefreut,
da ich doch zu spät davon erfahren hatte und er restlos ausgebucht war – yeah!
18.00 Uhr ging es los und ich konnte die folgenden zwei
Stunden entspannt zuhören und vom Still- und Windelwahnsinn gut abschalten,
weil sich mein Mann und meine Schwiegermutti netterweise um alle Kids bei strahlendem Sonnenschein im Park davor gekümmert haben. Inzwischen weiß ich
auch, dass wirklich alles super geklappt hat und die Jungs sich zwischendurch
ein Fläschchen geteilt haben und dann wieder eingeschlafen sind.
Ohne irgendwas geplant zu haben traf ich mehrere Freudinnen
und war also in netter Gesellschaft und ich durfte sogar bevor es losging Frau
Saalfrank am Waschbecken der Toilette noch viel Spaß beim Vortrag wünschen J
Ich finde das Thema ungemein wichtig und gleichzeitig
ungemein schwer, wie wir hier auch immer wieder im Alltag merken, wie unsere
eigenen Gefühle und Muster aus unserer Erziehung uns steuern. Dann kommen „wenn…dann“ Sätze, Konsequenzen oder andere nicht
sehr verbindende Sätze aus unserem Mund. Es ist aber auch herausfordernd mit
einem fast vierjährigen Herzmädchen, dass zu Allem seine eigene Meinung hat.
Ich war also sehr gespannt, was ich nun nochmal Neues mitnehmen werde!
Katia Saalfrank kam also 18.00 Uhr auf die Bühne des vollen
Raumes und gleich (wie auch schon zuvor in der kurzen Sekunde auf Toilette)
fällt einem ihre angenehme, lächelnde, sympathische Art und ihre sanfte
Stimme auf. Sie beginnt sich und ihre Arbeit, die für sie absolute Berufung und
nicht nur Beruf ist, vorzustellen und alle sind sofort von ihrer Kompetenz
überzeugt als sie erzählt, dass sie selbst 4 Kinder und auch Fehler gemacht
hat. Alle atmen durch: sie kennt den alltäglichen Wahnsinn, die
Herausforderungen und bringt nicht nur nette Theorien mit. Sie möchte uns Duzen
und fragt ein bisschen mit Handzeichen ab, wer so da ist, um uns kennenzulernen.
Und bittet darum, unvoreingenommen und offen (so wie es unsere Kinder auch
sind) zuzuhören.
Fotografie: Anne Siedentopf |
Dann beginnt sie ihren Vortrag, den sie mit übersichtlichen
Folien und süßen Comics unterstützt und erklärt erst mal, dass Kinder Respekt
von ihren Bindungspersonen lernen, indem diese dauerhaft wertschätzend sind und
die kindlichen Grenzen wahren. Sie plädiert für eine neue „Form der Führung“,
die nichts damit zu tun hat keine Grenzen zu haben.
Insgesamt sei es ganz normal, dass dort wo Menschen
zusammenleben Konflikte entstehen. Es geht also nicht darum, diese zu
vermeiden, sondern konstruktiv zu lösen und auf die Ursachen zu schauen (was
war los?) und gemeinsam mit den Kindern Alternativen für diesen Konflikt zu
erarbeiten. Hilfreich ist dabei, das Wort ABER wegzulassen und lieber mit UND
zu arbeiten. Denn ein „Ich verstehe dich, aber wir gehen jetzt nach Hause“
trennt, wohingehen ein „ich verstehe dich und wir gehen jetzt nach Hause“
verbindet und Raum lässt.
Bevor Frau Saalfrank tiefer auf das Thema „Kindheit ohne
Strafen“ eingeht, stellt sie noch die Begriffe bindungs- und
beziehungsorientiert vor. Wichtig ist hierbei vor allem, dass sich ihre
Herangehensweise nicht wie bei der klassischen Verhaltenspädagogik am
Verhalten, sondern an der emotionalen Ebene orientiert.
Ich finde diesen Punkt enorm wichtig, wenn man in Beziehung
leben will und bevor man sich damit beschäftigt, wie man nicht straft. Dieser
Unterschied bildet meiner Meinung nach die Basis, die Haltung von bindungs- und
beziehungsorientiert. Direktiv auf das Verhalten zu schauen, es zu bewerten und
Konsequenzen zu ziehen ist im Prinzip einfach. Hingegen auf die Gefühlswelt,
die Motive, die Ursachen hinter dem Verhalten unserer Kinder zu schauen schwer. Denn dafür
braucht es Zeit und eben eine Beziehung, ein Sich-Kennen, um Emotionen hinter
Verhalten wahrzunehmen und zu verstehen.
Genau darauf möchte Frau Saalfrank auch hinaus, wenn sie
sich danach mit uns die Grundemotionen wie Wut, Trauer, Freude etc. anschaut
und erklärt, dass es unsere Aufgabe als Eltern ist unsere Kinder darin zu
begleiten. Durch diese Co-Regulation lernen Kinder mit ihren Emotionen
umzugehen und ihren innerlichen Stress herauszulassen. Dies beginnt schon bei
kleinen Babys.
Sie sagt, dass Eltern das intuitiv oft „richtig“ machen
wollen, der gesellschaftliche, oft auch schulische, Druck führen jedoch oft zu
Verunsicherung und Machtkämpfen. Schlechtes Verhalten und schlechte Zensuren
werden von außen und von den Eltern selbst oft so gedeutet, dass die Eltern
vermeintlich „schlecht erziehen“, Druck und Handlungszwang entstehen, Strafen
werden verhängt, um diesem inneren und äußeren Druck gerecht zu werden. Denn die
Botschaft an die Eltern ist, wie sie sagt: „strafe ich nicht, wird mein Kind
asozial“.
Fotografie: Anne Siedentopf |
Damit kommt Katharina Saalfrank endgültig beim Kernthema
Strafen an und nimmt vorweg, dass mit dem schönen Wort „natürliche“ Konsequenz
auch oft nichts anderes als eine Strafe gemeint ist. Also prinzipiell ein
manipulativer Umgang mit Kindern. Dabei ist die Konsequenz, wenn ein Glas
umkippt nicht, dass das Kind das Wasser aufwischen muss, sondern dass das Glas
leer ist.
Sie stellt erst mal vor, welche Grundannahmen sie beim Thema "Kindheit ohne Strafen" voraussetzt:
- Kinder sind Teamworker (auch wenn jetzt vielleicht einige denken: „meine nicht“)
- Kinder wissen viel viel weniger als wir
- Kinder haben ein viel kleineres Nervensystem als wir und sind schnell überfordert
Und damit ist sie auch schon mitten in der Erklärung von
fehlender Zusammenarbeit seitens der Kinder. Kinder machen meist nicht das was
man ihnen sagt, wenn sie zum einen überfordert sind (zum Beispiel durch
Müdigkeit oder eben emotionale und kognitive Weise) oder wenn sie vorher
gekränkt wurden. An dieser Stelle verweist sie wieder auf den Anfang. Denn wenn
ich als Elternteil möchte, dass das Kind meine Grenzen wahrt, muss ich auch
seine achten. Strafe ist aber ein Machtmissbrauch, demütigend, verhindert
Beziehung und erzeugt Ängste. Da dürfen sich Eltern, laut der Pädagogin, auch
nicht wundern, wenn Kinder beginnen zu lügen und kein Vertrauen mehr haben,
sich mit eigenen Themen und Fragen an sie zu wenden.
Fotografie: Anne Siedentopf |
Wichtig ist ihr auch zu erklären, dass diese Zusammenhänge
nicht nur ihr wichtig sind und in ihrer Arbeit deutlich geworden, sondern dass
es ebenfalls wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gibt. Man hat unter anderem
herausgefunden, dass Strafen und emotionaler Ausschluss („Geh auf dein Zimmer“)
im Gehirn genauso wirken wie körperlicher Schmerz und dafür sorgen, dass Teile
des emotionalen Systems verloren gehen. Um sich zu schätzen kappt das Gehirn
bestimmte Empfindungen, wenn es zu schmerzhaft wird und so kann auch Empathie
nicht mehr gut entwickelt werden. Das betrifft sowohl Empathie für andere als
auch Selbstemphathie. Übrigens ist das ein entscheidender Punkt warum wir
teilweise nicht mit unseren Kindern mitfühlen und Strenge walten lassen, weil
wir es selbst nicht erfahren haben und unsere Selbstempathie lieber gekappt
haben. Es ist also an der Zeit wieder mitfühlender mit uns und anderen zu
werden.
Nach diesen vielen Informationen und theoretischen
Erkenntnissen stellt Frau Saalfrank zum Schluss noch ein Beispiel der kleinen
vierjährigen Lea vor und bietet uns damit eine Alternative zum herkömmlichen
Muster von Erziehung.
Fotografie: Anne Siedentopf |
Lea und ihre Mutter haben jeden Abend Streit ums Aufräumen
und nach Monologen, Belohnung, Bestrafung sowie Eskalation sind sowohl Lea als auch
ihre Mutter sehr unzufrieden. An diesem Punkt hat Frau Saalfrank Leas Mutter
ein „Kakao-Küchen-Gespräch“ vorgeschlagen.
Sie schlägt also vor sich in einer ruhigen Minute, fern vom
Streitgeschehen, zusammen zu setzen und das Thema zu besprechen. Dabei ist die
erste Herausforderung für uns Eltern das Verständnis, sich zuzuhören und
herauszufinden, was auch das Kind zu dieser Situation denkt und auch selbst zu
erzählen und auf Fragen des Kindes ehrlich zu antworten. Dabei muss dieses
Gespräch nicht sofort zur abgeschlossenen Lösung führen, es ist ein Prozess.
Nachdem Lea und ihre Mutter herausgefunden haben was beiden
wichtig ist (Lea: Erbautes auch stehen lassen zu können, Mutter: sich nicht
beim Gehen im Kinderzimmer zu verletzen), konnten sie einen Kompromiss
finden (Lea räumt einen „Weg“ frei und
wenn nicht winkt die Mutter von der Tür zum Gute-Nacht-Sagen).
Übrigens ein guter Trick zur Überprüfung: Lea wollte wissen,
warum sie aufräumen muss und Papa nicht? Genau! Fragen wir uns doch einfach
öfter, ob wir so auch mit unserem Partner reden würden ;)
Nach dem Vortrag können einige aus dem Publikum noch Fragen
stellen und dann kann man ihre Bücher erwerben und eine Widmung von
Frau Saalfrank bekommen. Ich ergreife die Chance, ganz am Rand sitzend, kaufe mir das
Buch zum Vortrag und husche schnell raus in die Sonne zu meiner Familie.
Bis jetzt konnte ich ein wenig quer lesen und es liest sich
so angenehm, wie Frau Saalfrank erzählt. Somit kann ich sowohl den Vortrag als
auch das Buch empfehlen. Letzteres finde ich eine schöne Ergänzung, da aufgrund
der Zeit die praktische Umsetzung des „ohne Strafen“ ein wenig zu kurz kam, im
Buch aber verschiedene Beispiele aufgeführt werden. Wer in einer anderen Stadt
dieser Vortragsreihe also die Gelegenheit hat, sollte hingehen J
Eure Anne
Sie suchen professionelle Schreibhilfe? ghostwriter agentur kann Sie bei jedem akademischen Projekt unterstützen, von Hausarbeiten bis zu Abschlussarbeiten. Ihre professionellen Autoren stellen sicher, dass Ihre Arbeit den höchsten Standards in Bezug auf Qualität und akademische Integrität entspricht.
AntwortenLöschen